Entrepreneurship mit Migrationshintergrund: Zwischen zwei Welten Fuss fassen und erfolgreich ein Unternehmen gründen

Juni 20, 2022

Mehrsprachigkeit wird in der Schweiz gelebt – nicht nur wegen der eigenen 4 Landessprachen. Allein im Kanton Zürich gibt es 180 ansässige Nationalitäten mit 80 unterschiedlichen Muttersprachen. Knapp 40 Prozent aller Schweizer haben einen Migrationshintergrund, wie eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt. Diese kulturelle Vielfalt und Offenheit prägt das Land, die Wirtschaft und das Schweizer Unternehmertum. 

Wai-On Chui ist einer der vielen Entrepreneure, die zweisprachig gross geworden sind, von unterschiedlichen Traditionen geprägt wurden und erfolgreich ein eigenes Business aufgebaut haben. Die Frage lautet nun, welche Rolle vielleicht auch sein Migrant Background für den beruflichen Erfolg spielt.

Wie einen die multikulturelle Herkunft prägen kann

Im Alter von drei Jahren wanderte er mit seinen Eltern von Hongkong in die Schweiz aus. Zuhause wurde kantonesisch gesprochen, im Kindergarten aber nicht. Und so fiel Wai-On mit seinem Anderssein, mit seinem asiatischen Aussehen, auf. Diese erste Zeit, in der er viel gehänselt wurde, war nicht leicht für ihn. Wenn er sich heute zurückerinnert, wie er als Kind und Teenager war, dann beschreibt er einen unsicheren, zurückhaltenden Menschen ohne Selbstbewusstsein. 

Das sollte sich erst deutlich ändern, als er mit der Schule fertig war, zum Militär ging, danach ein Biochemiestudium anfing und eine englische Sprachschule in Vancouver besuchte. Wai-On war das erste Mal auf sich allein gestellt, wurde in keine Schublade mehr gesteckt und beschloss, sein Leben zu ändern. „Ich konnte endlich das Gefühl abstreifen, dass ich nicht in die Aussenwelt passe. Innen Chinese – und da draussen um mich herum die Schweiz. Ich wusste lange Zeit nicht, wohin mit mir in diesem Zwiespalt. Es machte aber irgendwann „klick“ und ich verspürte den Drang nach Selbstständigkeit.“ Er wollte etwas machen, etwas für sich selber auf die Beine stellen.

Seine erste Firma, ein Online-Shop, gründete Wai-On während er noch studierte. Er konnte zwar selber nicht wirklich programmieren, aber „Chinesen können schliesslich gut kopieren“, lacht Wai-On mit einem Augenzwinkern. Mit einer gesunden Portion Naivität war sein Leitgedanke: Passt schon, geht schon! Und es ging, sehr gut sogar. Mehrere Firmen hat er seit damals (mit-) gegründet und verkauft, zuletzt sein Brand Development Unternehmen oneten

Als CEO und Founder ist er zudem seit 2015 in der Entrepreneurs‘ Organization. Er schätzt die Treffen, die Veranstaltungen und vor allem die Forengruppen sehr. „Ich war nie der typische Netzwerker“, erzählt Wai-On. „Aber EO hat mit dem klassischen Netzwerken auch gar nichts zu tun. Es geht beim Austausch mit den anderen Mitgliedern vielmehr um die persönliche Weiterentwicklung. Als Unternehmer, als Freund, als Partner, als Vater.“

Das kann auch Aarno Aukia, Mitgründer der VSHN AG, so unterschreiben. Er ist ebenfalls EO Member und wurde selber mit zwei Kulturen gross. Seine Mutter ist Schweizerin, sein Vater Finne. 

Es geht auch ohne Schubladendenken

Wenn man Aarno danach fragt, ob es irgendwelche typisch finnischen Charaktereigenschaften gibt, muss er einen Moment lang überlegen. „Finnen bauen gern ihr eigenes Haus. Bauen also gern ihr eigenes Leben auf. Und wir glauben daran, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.“ Er ist sich aber gar nicht so sicher, ob das nun wirklich etwas mit der skandinavischen Gesinnung zu tun hat – oder ob diese Wesenszüge nicht einfach von seinen Eltern ganz individuell in seine Wiege gelegt wurden. 

Im Gegensatz zu Wai-On hat sein väterliches Herkunftsland eigentlich nie eine Rolle gespielt. Zweisprachigkeit ja, Anderssein nein. Er wurde seit seiner Kindheit immer nur als Aarno, als er selbst wahrgenommen. Kein Schubladendenken, auch wenn in seiner Brust zwei Herzen schlagen. „Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich das Privileg hatte, in der Schweiz aufzuwachsen und die Ausbildung hier zu geniessen.“ In seinem Informatikstudium an der ETH Zürich fiel er höchstens damit auf, eher extrovertiert zu sein – recht ungewöhnlich für einen „IT-Nerd“, wie er sich selber bezeichnet. 

Aarno lebt und arbeitet nach dem Motto „Make it happen“, ist voll und ganz in der Softwarewelt zuhause und hat immer vor Augen, sich und sein Unternehmen stetig zu optimieren. Dabei hat ihm auch die Entrepreneurs‘ Organization geholfen. „Bereits nach einem Jahr Mitgliedschaft habe ich gemerkt, wie mir das EO Coaching hilft. Wie ich dazu lerne, wie ich meine Gedanken neu ordne und anders reflektiere.“ Ein wahrer Benefit im Beruf und fürs Privatleben.

Erfolgsrezept: Wenn man weiss, wie andere Menschen ticken

Diese EO-Benefits begleiten auch Wai-On. Daneben profitiert er in seinem Berufsleben aber vor allem von einem weiteren entscheidenden Aspekt:  Er weiss ganz genau, wie Menschen aus dem asiatischen Raum denken und handeln. Er selber hat die Mentalität verinnerlicht, dass man einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen sollte – und selber „einfach macht“ anstatt erst lang um Hilfe zu bitten. „Ich als Fake-Asiate – ja, so sehe ich mich – kenne diese Art von Lebenseinstellung und kann optimal auf meine asiatischen Geschäftspartner eingehen.“ Als Brand Developer ebnet Wai-On so für seine Kunden den Weg, ihre Produkte auf dem Markt zu platzieren und neue Verkaufskanäle zu identifizieren. Und das mit grossem Erfolg.

You May Also Like…

Spielen Sie, um nicht zu verlieren… oder um den Sieg?

Spielen Sie, um nicht zu verlieren… oder um den Sieg?

Vor ein paar Tagen unterhielt ich mich mit Stefan, Führungskraft in einer Marketingagentur darüber, welche KPIs in den Level-10-Meetings des Management-Teams gemessen werden sollten. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass sein Team nicht spielte, um zu...

Weiterlesen
Entscheidungsfindung: wer hat das E….?

Entscheidungsfindung: wer hat das E….?

Vor einiger Zeit begleitete ich das Leadership-Team eines Schweizer Industrieunternehmens bei seinem Quartalsmeeting. Im Laufe des Nachmittags kam es bei einem Issue zu einer angeregten Diskussion. Anfangs beteiligten sich alle fünf Teammitglieder an der Debatte, doch...

Weiterlesen