Entscheidungsfindung: wer hat das E….?

November 2, 2022

Vor einiger Zeit begleitete ich das Leadership-Team eines Schweizer Industrieunternehmens bei seinem Quartalsmeeting. Im Laufe des Nachmittags kam es bei einem Issue zu einer angeregten Diskussion. Anfangs beteiligten sich alle fünf Teammitglieder an der Debatte, doch mit jeder Minute, die verstrich, nahm das Interesse ab und schliesslich waren es nur noch zwei Personen, die sich den Ball hin- und herwarfen. Nach einigen Minuten unterbrach ich mit der Frage: „Wer hat das E?“ 10 Augen blickten mich fragend an. „Welches E…?“

Schnelle Umsetzung ist gefragt

Jeder Erfolg (und jedes Scheitern), jede genutzte (oder verpasste) Gelegenheit ist das Resultat von gefällten (oder nicht gefällten) Entscheidungen.

Um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, muss ein Unternehmen effizienter in der Umsetzung sein als die Konkurrenz. Nur in extrem seltenen Fällen gibt es Alleinstellungsmerkmale, dank derer sich ein Unternehmen zurücklehnen kann. Die absolute Mehrheit der Unternehmen muss sich vielmehr gegen die Konkurrenz mittels besserer Umsetzung durchsetzen. Und um schneller und effektiver zu sein, ist effiziente Entscheidungsfindung gefragt. E steht also für Entscheidung. In vielen Unternehmen besteht aber keine Klarheit wer entscheidet und wie Entscheidungen getroffen werden. Viel zu häufig werden Dinge im Unternehmen bis ganz oben getragen, zum Nadelöhr. Und nicht immer werden die besten Entscheidungen getroffen bei langen Entscheidungswegen.

Du kannst den folgenden Test mit deinem Team machen: Schreib eine Reihe von Fragen auf, wie zum Beispiel: Wer entscheidet im Unternehmen…

…über den Preis der Produkte?

…ob im Bereich X eine Person eingestellt wird?

…über den Prozess xyz?

…welche Farbe die Webseite hat?

…ob ein neuer Standort eröffnet werden soll?

etc…

Stell deine Fragen verschiedenen Personen im Unternehmen. Sehr wahrscheinlich bekommst du eher vage oder unterschiedliche Antworten oder es wird (zu) häufig der Chef genannt. So sollte es nicht sein.

Damit klar ist, wer das E hat, empfehle ich drei Schritte:

1 – Organigramm der Verantwortlichkeiten

Um zu wissen wer entscheidet, muss ganz klar, schwarz auf weiss, feststehen wer welche Verantwortlichkeiten im Unternehmen hat. Um endlose Diskussionen, wie im Beispiel oben, zu verhindern, gilt es also erstmal eine Grundsatzdebatte zu haben, wer eigentlich für was verantwortlich ist, wer also das E hat. Der effektivste Weg, um das klarzustellen, ist die Aufstellung des Organigramms der Verantwortlichkeiten des Unternehmens. Hier findest du einen längeren Artikel darüber, im Folgenden die Essenz:

Angefangen wird beim Leadership-Team. Setz dich mit deinen drei bis sieben Schlüsselpersonen zusammen und definiere die ideale Struktur. Erst die Struktur, dann die Personen:

Zeichnet nicht den gegenwärtigen Status Quo auf, sondern schaut 6 bis 12 Monate nach vorne. Welche Funktionen müssen im Leadership-Team vorhanden sein? Typischerweise sind es drei bis sieben Funktionen (Verkauf, Marketing, Betrieb, Finanz, HR, IT etc.). Keep it simple, weniger ist mehr!

  • Für jede einzelne dieser Funktionen notiert nun die vier bis sechs Verantwortlichkeiten (z.B. Teamführung, Pricing, Branding, Einstellungen, Neukundengewinnung, Kundenzufriedenheit etc.). Mit Sicherheit kommt ihr auf Punkte wo Unklarheit herrscht oder unterschiedliche Meinungen im Team vorhanden sind. An diesen Punkten sich festzulegen verhindert endlose Debatten in der Zukunft, wenn keiner weiss wer eigentlich die Entscheidung fällen kann und muss.
  • Wenn im Leadership-Team alle Funktionen und Verantwortlichkeiten bestimmt sind (die Struktur also), legt fest welche Personen diese Funktionen besetzen. Wichtig, dass es in dieser Reihenfolge passiert, erst die Struktur, dann die Personen. Dabei kann eine Person auf zwei Funktionen sitzen, aber niemals zwei Personen auf derselben Funktion. Nutze dazu das Tool GWC, um eventuelle Schwachstellen zu identifizieren.
  • Definiert die Struktur für das gesamte Unternehmen, nicht nur das Leadership-Team mit genau der gleichen Vorgehensweise. Idealerweise macht das jeder eigenverantwortlich für seinen Bereich, in Absprache mit dem Rest des Teams.

Am Ende entsteht ein Tool, dass alle Schlüsselfunktionen und Verantwortlichkeiten im Unternehmen aufzeigt, wer also jeweils den Hut dafür aufhat. Schwierig? Ja. Die Alternative: Kein Organigramm der Verantwortlichkeiten, doch dadurch entzieht man sich der Aufgabe, das Unternehmen für einen optimalen Entscheidungsfindungsprozess zu strukturieren. Geht man dieser Diskussion aus dem Weg und legt das Organigramm der Verantwortlichkeiten nicht fest, lässt man zu, dass der Entscheidungskrieg zwischen Personen und Abteilungen tagein, tagaus bei etlichen Beschlüssen weitergeht. Da lohnt es sich, ein paar Stunden Zeit zu investieren und das E einer konkreten Stelle im Unternehmen zuzuweisen.

2 – Klare Vision

Um kurz- und mittelfristige Entscheidungen richtig treffen zu können, ist es unabdingbar zu wissen, wo langfristig mit dem Unternehmen hingehen soll. Um eine klare Vision zu haben, kannst du zusammen mit deinem Leadership-Team die 8 Fragen auf dem VTO beantworten.

Wenn du mit mehreren Personen mit dem Auto in den Urlaub fährst und Unklarheit darüber herrscht ob es eigentlich nach Italien oder Frankreich geht, wird an jeder Kreuzung eine Debatte entstehen ob rechts oder links. Das Gleiche passiert im Unternehmen, wenn auch häufig weniger offensichtlich. Die versteckten Kosten dieser Unklarheit sind enorm für das Unternehmen.

3 – RAPID: Wer spielt mit?

Strategisch wichtige Entscheidungen sind oft komplex und betreffen zahlreiche Personen im Unternehmen. In diesen Fällen ist nicht nur wichtig wer entscheidet, sondern auch wie entschieden wird. Als weiterführende Artikel dazu findest du hier Teil 1 und Teil 2.

Hier möchte ich das RAPID-Verfahren vorstellen, dass von Paul Rogers und Marcia Blenko in der HBR (Harvard Business Review) veröffentlicht wurde:

Mit RAPID erstellt man also den Überblick der Schlüsselpersonen bei einer wichtigen Entscheidung, in dem man jedem Buchstaben die entscheidenden Personen zuordnet. So wird sichergestellt, dass wichtige Entscheidungen auch das notwendige Commitment haben.

Ich hoffe, diese drei Aspekte helfen, Entscheidungen im Unternehmen effizienter treffen zu können und die Konkurrenz nur noch im Rückspiegel zu sehen.

Diese Tools und Techniken sind Teil von EOS, dem Entrepreneurial Operating System. Weltweit wurde EOS bis heute in mehr als 12.000 KMU implementiert. Typischerweise genutzt von Unternehmen mit zwischen 10 und 250 Mitarbeitenden, wachstumsorientiert, respektvoll im Umgang und bereit sich als Team offen und ehrlich zu zeigen.

Der Artikel wurde von Jörg Lahmann geschrieben, weltweit erster EOS Implementer für den deutschsprachigen Raum. Für mehr Info:

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